Save You (Maxton Hall, #2)

Save You (Maxton Hall, #2)

Mona Kasten



   All the promises that we made,

   it means nothing.

   GERSEY, IT MEANS NOTHING





1


Lydia

James ist betrunken. Oder zugedr?hnt. Oder beides.

Seit drei Tagen ist er nicht mehr richtig ansprechbar. Er macht nichts, au?er bei uns im Salon eine Art Dauerparty zu feiern, eine Flasche Alkohol nach der anderen zu leeren und so zu tun, als w?re nichts geschehen. Ich verstehe nicht, wie er so sein kann. Anscheinend interessiert es ihn überhaupt nicht, dass unsere Familie nun endgültig in Trümmern liegt.

?Ich glaube, das ist seine Art zu trauern.?

Ich sehe Cyril von der Seite an. Er ist der Einzige, der wei?, was passiert ist. Ich habe es ihm an dem Abend erz?hlt, an dem James sich auf seiner Party zugedr?hnt und vor Rubys Augen mit Elaine rumgemacht hat. Irgendjemand musste mir dabei helfen, James nach Hause zu bringen, ohne dass Percy oder Dad mitbekamen, in welchem Zustand er war. Da unsere Familien eng miteinander befreundet sind, kennen Cy und ich uns seit unserer Kindheit. Und auch wenn Dad mir das Versprechen abgenommen hat, vor der offiziellen Pressemitteilung niemandem von der Sache mit Mum zu erz?hlen, wei? ich, dass ich ihm vertrauen kann und er das Geheimnis für sich beh?lt – auch vor Wren, Keshav und Alistair.

Ohne seine Hilfe h?tte ich die letzten Tage nicht durchgestanden. Er hat Dad dazu überredet, James ein paar Tage lang in Ruhe zu lassen, und den anderen Jungs zu verstehen gegeben, dass sie erst einmal keine Fragen stellen sollen. Sie halten sich daran, wobei ich das Gefühl habe, dass es ihnen mit jedem Tag schwerer f?llt, James dabei zuzusehen, wie er sich kaputtmacht.

W?hrend mein Bruder alles dafür tut, um seinen Verstand zu benebeln, kann ich nur darüber nachdenken, wie es jetzt für mich weitergehen soll. Meine Mum ist tot. Grahams Mutter ist bereits vor sieben Jahren gestorben. Der in mir wachsende Knirps wird keine Oma haben.

Im Ernst. Das ist das, was mir in Dauerschleife durch den Kopf geht. Statt zu trauern, grüble ich über die Tatsache nach, dass mein Baby niemals die Umarmung einer liebenden Gro?mutter erfahren wird. Was ist blo? los mit mir?

Aber ich kann nichts dagegen tun. Die Gedanken in meinem Kopf verselbstst?ndigen sich – einer folgt dem n?chsten, bis ich schlie?lich in Horrorszenarien versinke und eine solche Angst vor der Zukunft bekomme, dass ich an überhaupt nichts anderes mehr denken kann. Es ist, als stünde ich seit drei Tagen unter Schock. Wahrscheinlich ist sowohl in James als auch in mir etwas schrecklich kaputtgegangen, als Dad uns verkündet hat, was geschehen ist.

?Ich wei? nicht, wie ich ihm helfen kann?, flüstere ich, w?hrend ich James dabei zusehe, wie er erneut den Kopf in den Nacken legt und sein Glas leert. Es tut weh, dabei zuzusehen, wie sehr er leidet. Er kann so nicht ewig weitermachen. Irgendwann wird er sich der Realit?t stellen müssen. Und meiner Meinung nach gibt es auf dieser Welt nur eine Person, die ihm dabei helfen kann.

Zum wiederholten Mal hole ich mein Handy raus und w?hle Rubys Nummer, aber sie hebt wieder nicht ab. Ich m?chte sauer auf sie sein, aber ich kann nicht. H?tte ich Graham mit einer anderen erwischt, würde ich auch nichts mehr mit ihm oder irgendjemandem aus seinem Umfeld zu tun haben wollen.

?Rufst du sie schon wieder an??, fragt Cy mit skeptischem Blick auf mein Handy. Als ich nicke, runzelt er missbilligend die Stirn. Seine Reaktion verwundert mich nicht. Cyril ist der Meinung, dass Ruby nichts weiter als eine Goldgr?berin ist, die es auf James’ Erbe abgesehen hat. Ich wei?, dass das nicht stimmt, aber wenn Cyril sich einmal ein Urteil über jemanden gebildet hat, ist es nur schwer, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Und sosehr mich das frustriert, kann ich es ihm nicht übel nehmen. Denn das ist nichts weiter als seine Art, sich um seine Freunde zu kümmern.

?Er h?rt auf niemanden von uns. Ich glaube, sie k?nnte verhindern, dass er komplett durchdreht.? Meine Stimme klingt in meinen eigenen Ohren fremd. So kalt und tonlos – dabei sieht es in mir drin ganz anders aus.

Ich kann vor Schmerz kaum aufrecht stehen. Es ist, als h?tte mich jemand gefesselt und ich bek?me die Knoten der Seile seit Tagen nicht auf. Als würden sich meine Gedanken in einem Karussell bewegen, das nicht aufh?ren will und von dem ich einfach nicht abspringen kann. Nichts scheint mehr einen Sinn zu ergeben, und je st?rker ich gegen die in mir wachsende Hilflosigkeit ank?mpfe, desto umfassender wird sie.

Ich habe einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren. Ich wei? nicht, wie ich das allein durchstehen soll. Ich brauche meinen Zwillingsbruder. Doch James macht nichts, als sich zu bet?uben und alles zu zerst?ren, was ihm in die Quere kommt. Meinen Vater habe ich das letzte Mal am Mittwoch gesehen. Er ist unterwegs und trifft sich mit Anw?lten und Beratern, um die Zukunft der Beaufort Companies zu regeln. Für Mums Beerdigung hat er hingegen keine Minute übrig – dafür hat er eine Planerin namens Julia engagiert, die in den letzten Tagen bei uns ein und aus gegangen ist, als würde sie zur Familie geh?ren.

Bei dem Gedanken an Mums Beerdigung wird meine Kehle eng. Ich bekomme keine Luft mehr, meine Augen fangen an zu brennen. Hastig drehe ich mich weg, aber Cyril merkt es.

?Lydia …?, wispert er und greift sanft nach meiner Hand.

Ich entziehe sie ihm und verlasse ohne ein weiteres Wort den Raum. Die Jungs sollen nicht sehen, wie ich weine. Irgendwann lassen auch sie sich nicht mehr hinhalten und werden trotz Cyrils Warnung anfangen, Fragen zu stellen. Keiner von ihnen ist auf den Kopf gefallen. James hat sich noch nie so benommen. Auch wenn er hin und wieder über die Str?nge schl?gt, wei? er im Normalfall immer, wo seine Grenzen sind. Dass das momentan nicht der Fall ist, haben die anderen l?ngst mitbekommen. Die Tatsache, dass Keshav begonnen hat, eine Schnapsflasche nach der anderen aus der Bar verschwinden zu lassen, und Alistair aus Versehen die paar Gramm Kokain, die James noch übrig hatte, im Klo runtergespült hat, spricht für sich.

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